Für das Erinnern
Übersetzung aus dem Englischen: J. Wagner S. 64-99
(Zwischentitel eingefügt)
Am nächsten Tag gingen wir direkt nach dem Appell zum Bahnhof, in der üblichen Einteilung von 70 Mann pro Waggon. Die Reise war kurz, obwohl der Zug länger hielt, als dass er fuhr. Ungefähr gegen Mittag erreichten wir einen kleinen Bahnhof, Ampfing, wo wir von neuen SS-Männern erwartet wurden. Wir wurden gezählt und der Zug fuhr weg und erst dann sahen wir, dass nicht alle von uns ausgestiegen waren, weniger als die Hälfte, jene von den letzten vier oder 5 Waggons, die anderen gingen zu einem anderen Ziel, das wir nicht kannten. Es war nur einer aus meiner Heimatstadt in der Ampfinger Gruppe.
Vom Bahnhof wandten wir uns den Feldern zu, weg vom Ort, und nach einem wirklich langen Weg erreichten wir den Wald mit keinerlei Anzeichen von einem Lager. In Wirklichkeit war unser Marsch nicht lang, aber er erschien uns als der „Auszug aus Ägypten.“
Als wir etwas weiter eindrangen, sahen wir den Stacheldrahtzaun des Lagers. Als wir uns weiterbewegten, schauten wir aus Neugier in das Innere der Zelte. Am Eingang waren unsere Nummern registriert und wir wurden dann in Gruppen auf unsere Zelte verteilt. Wir waren dann frei, das erste Mal, seit wir in den Händen der Deutschen waren, konnten wir uns frei in so einem großen Gelände bewegen. Zu diesem Zeitpunkt waren nur wenige Leute im Lager. Das weckte seltsame Gefühle in uns. Als wir uns nach Bekannten umsahen, traf ich in einem der Zelte eine Kreatur, die ich kaum als menschliches Wesen beschreiben kann. Er war so dünn, dass man seine Rippen zählen konnte, seine Hände zitterten und seine Augen waren leblos. Er war dabei nach Läusen in seinem Hemd zu suchen. Als er bemerkte, dass ich ihn ansah, fragte er ärgerlich auf deutsch, was ich von ihm wolle und fügte in ungarisch an, dass ich zum Teufel gehen solle. Froh, dass er mich auf ungarisch ansprach, kam ich ein bisschen näher und sagte auf ungarisch, dass ich einer der neuen Ankömmlinge sei und dass ich nach Bekannten und Verwandten suchte. Kannte er jemanden aus meiner Heimatstadt? Anstatt zu antworten brach er in Tränen aus und begann über sich selbst zu erzählen. Er sagte, dass er einen berühmten Juwelierladen im Zentrum von Budapest besessen habe, sowie drei große Häuser und hier litt er an Hunger und war mit Schmutz und Läusen bedeckt. Er hatte angefangen sich selbst zu hassen. Er sagte weinend, dass er Budapest nie wiedersehen werde, weil er zu einem Muselmann geworden war. Er würde nicht mehr viele Tage aushalten und würde zweifellos in den nächsten Muselmanntransport übernommen werden. Er konnte nur über sich sprechen. Trotz dieses Auschlags und meiner Angst vor den Läusen beschloss ich doc h näher zu kommen und ihn weiter auszufragen, ob er jemanden aus meiner Heimatstadt im Lager wusste. Meine Anstrengung trug Früchte, weil er schließlich sich an jemand aus Kecskemet erinnerte, den ich gut kannte und dessen Haus ich regelmäßig aufsuchte. Er war ein Zahnarzt namens Szigeti und seine Tochter war eine gute Freundin von mir. Da ich seine Zeltnummer nicht herausbekommen konnte, musste ich anderswie weiterforschen. Ich sah andere Muselmänner, deren Kraft so zerstört war, dass sie nicht mehr zur Arbeit gehen konnten. Je mehr von ihnen ich sah, umso empörter und verzweifelter wurde ich. Ich kehrte schließlich zu meinem Zelt zurück, um zu hören, was meine Freunde gefunden hatten. Sie hatten dasselbe gesehen wie und waren sehr verstört.
Leute kamen von der Arbeit zurück. Ihre Gesichter waren weniger furchterregend als die anderen, die wir gesehen hatten, aber sie waren auch in sehr schlechter Verfassung. Ihre Kleidung, ihre Blicke und ihr Schmutz stießen mich ab, aber man konnte noch mit ihnen reden. Einer von ihnen kannte sogar die Zeltnummer meines Freundes, so dass ich dorthin eilte. Ich erkannte ihn aus der Ferne, obwohl er wie die anderen Muselmänner aussah. Ich blieb stehen und wusste nicht, ob ich weitergehen sollte oder nicht. Meine Gefühle trieben mich vorwärts, auf ihn zuzugehen und ihn zu umarmen und ihn nach der Familie, Bekannte und Freunde zu fragen. Aber ein anderes Gefühl hielt mich zurück. Wenn ich ihn umarmte, würde ich seine Läuse bekommen und infiziert werden. Ich blieb zögernd stehen, und wusste nicht, was ich tun sollte. und da rief der Mann, der mir die Zeltnummer genannt hatte: „Dort ist Szigeti! Siehst du ihn? und zu Szigeti:“ Doktor! Jemand sucht nach dir. Hier ist ein junger Mann aus deiner Stadt. Szigeti schaute auf und brach in Freudenrufe aus und kam auf mich zu. Seien Freude überzeugte mich. Ich konnte nicht warten. Ich lief auf ihn zu, umarmte und küsste ihn, als ob er mein Vater wäre. Ich scherte mich nicht länger darum, ob ich mir Läuse einfing oder nicht. Wichtig war, dass ich jemanden gefunden hatte, den ich aus den guten Zeiten kannte und der meine Fragen beantworten konnte.
Anstatt mir die tausend Dinge zu sagen, die er wusste, weinte er nur. Dieses Weinen, charakteristisches Zeichen der zerbrochenen und halbzerbrochenen Lagerinsassen, verhinderte jedes wirkliche Gespräch. Er hielt mich in seinen Armen, weinte und murmelte in Satzbruchstücken: „Kannst du mich erkennen, so wie ich nun bin? Bin ich derselbe Mann, den du gekannt hast? Wo sind meine Töchter? Wer hat meine Schuhe genommen? Andi dieser Bader betreibt die Klinik! … Wie geht es dir? Es ist gut, dass du hier bei mir bist. Alle anderen sind tot.“ Zuerst konnte ich gar nichts sagen. Aber dann konnte ich mich nicht zurückhalten und Fragte: „Was geschah mit meinen Eltern? Leben sie noch?“ Als ich ihn aus dem Schlaf aufgeweckt hätte, nahm er die Hände von meinen Schultern, schaute mir ihn die Augen und sagte leise: „Glaube es nicht!“ und dann begann er mir den ganzen Abschnitt über Auschwitz zu erzählen, die reise von Kecskemet, die Ankunft dort, die Selektion, die Toten und den Weg nach hier und die Bedingungen hier. Er weinte und redete. Aber ich hörte nicht, was er sagte. Meine Ohren wurden taub. Mein Verstand blieb stehen und nur etwas drang in mein Bewusstsein:“ Sie sind alle tot! Sie sind alle ermordet!“ Plötzliche Rufe: „Appell! Jeder zum Appell!“ Ich war froh, ihn zu verlassen. Wie vereinbarten, uns nach dem Abendessen zu treffen und eilten zum Appellplatz.
Wir liefen dorthin und stellten uns in die Reihen. Die Funktionshäftlinge zählten uns. Plötzlich hörten wir den Lagerältesten sich beschweren, dass zwei Muselmänner fehlten. Bevor er weitere Befehle geben konnte, erschien ein deutscher Offizier (vielleicht war er auch kein Offizier), um den Appell zu überprüfen und er musste ihm das Fehlen von zwei Gefangenen melden. Ich weiß nicht, was der Deutsche sagte, aber wir wurden wieder gezählt und dem Blockältesten wurde befohlen, die Zelte zu durchsuchen. Die ganze Zeit schrie der Deutsche, dass er dem Campältesten schon beibringen würde, wie er seine Pflichten auszuführen hätte und wenn die zwei nicht gefunden würden, würde er auf der Stelle erschossen werden. Wir mussten stehen bleiben wo wir ohne uns zu rühren warteten, bis die zwei Fehlenden gefunden wurden. Nach etwa einer halben Stunde hörten wir Rufe von den Zelten herüber. Zwei Blockälteste zogen einen halbnackten, mit Schmutz bedeckten Mann her. Er war tot. Er war in einer Pfütze in der Nähe des Appellplatzes gefunden worden. Allem Anschein nach, war er auf dem Weg zum Appellplatz gewesen und war zusammengebrochen und gestorben. Sein Erscheinungsbild war fürchterlich. Er war nichts als Haut und Knochen ohne jedes Fleisch. Er schaute aus wie ein Skelett mit Haut bedeckt. Es war der erste tote Mann, den ich gesehen habe und ich werde nie vergessen, wie er ausgesehen hat.
Die Stunden vergingen, die Kälte nahm zu, wir wurden immer hungriger (neben dem Kaffee – oder dem schwarzen heißen Wasser, das wir in Dachau am Morgen getrunken hatten, hatten wir den ganzen Tag nichts gegessen). Weitere Stunden und der zweite Mann konnte nicht gefunden werden. Es kam uns vor, als ob wir tagelang beim Appell standen. Einige brachen zusammen, aber wir durften sie nicht anrühren und sie lagen zu unseren Füßen. Dann hörten wir lautes Rufen und die Rufe der Blockältesten und auch ein furchtsame hysterische Stimme – die Stimme des Mannes, der gefunden worden war. Wir hörten die Schläge und die Schreie. Sie brachten ihn auf den Appellplatz in die Mitte, den armen, dünnen Mann und die Blockältesten umstanden ihn. Wir waren froh, dass er gefunden worden war und in diesem Moment hassten wir ihn. Wir dachten, dass er die Schläge verdiente. Wegen ihm mussten wir alle leiden; Hunderte, fast 2000 Mann, wegen seiner Dummheit. Einige, die zusammengebrochen waren, würden zweifellos sterben, alles wegen eines schlechten Menschen. Diese Gedanken kamen uns während der Deutsche Fragte: „ Wo warst du, du Wrack? Warum bist du nicht erschienen, stinkender Jude?“ Der Mann gab keine Antwort. Stattdessen sagte ein Blockältester, dass sie ihn in den Büschen hinter der Latrine gefunden hatte. Der Deutsche wurde noch wütender. „Was? Du hast dich getraut wegzugehen. Wehe dir! Du wirst es nicht wieder versuchen!“ Der Jude schrie „Nein! Ich habe nicht versucht, wegzugehen. Wie sollte ich? Ich habe einen fürchterlichen Durchfall bekommen und ich war in der Latrine, als der Appell ausgerufen wurde. Als ich fertig war, war es still im Lager. So wusste ich, dass die Zählung begonnen hatte. Ich fürchtete, zu spät zu kommen und hoffte, dass meine Abwesenheit nicht bemerkt würde. Als ich Leute nach mir suchen hörte, versteckte ich mich in den Büschen. Ich hatte nicht den Mut herauszukommen. Ich wollte nicht weglaufen. Ich wollte nichts Falsches tun. Verzeiht mir! Verzeiht mir!“ Der Deutsche antwortete kurz „Jüdischer Lügner! Ich erteile dir eine Lektion!“ und befahl dem Lagerältesten ihn mit einem Knüppel zu schlagen bis er ihm befehle, aufzuhören. Zwei Blockälteste zogen den kaputten Mann zu einem Holzbock, der offensichtlich für solche Zwecke vorgesehen war und hielten ihn dort fest und die Schläge begannen. Die Schreie des Gefangenen waren schrecklich und fürchterlich zu hören. Sie berührten den SS-Mann aber nicht, der dem Lagerältesten befahl weiterzumachen. Ich zählte mehr als 25 Schläge und es wurde noch weiter geschlagen. Die Schreie wurden leiser, wandelten sich in Stöhnen und schließlich erstarben in einem Seufzen. Und der Knüppel wurde weitergeschwungen bis der Deutsche plötzlich fragte: „Ist er jetzt tot?“ Als er die erwartete Antwort bekam, befahl er, dass die beiden toten Männer auf dem Platz zurückzulassen seien, um für die anderen auf dem Appellplatz ausgestellt zu werden.
Ich konnte meine Augen nicht schließen trotz der Erschöpfung, die nun dauernde Begleiterscheinung unseres Lebens war.
Ich dachte über Szigeti nach, über den Appell, über meine Eltern, über mich selbst und wollte weinen. Ich wusste nicht, dass ich bald auch ohne einen speziellen Grund weinen würde, wie der reiche Mann aus Budapest oder Szigeti weinten oder alle anderen Muselmänner. Ich war sicher, dass meine Mutter mit ihrer schwachen Konstitution direkt in die Gaskammern geschickt worden war. Meine Gedanken konzentrierten sich auf mich und ich sah mich selbst beim Appell mit den anderen, die Männer verwünschend, die beim Appell fehlten und den Mann hassend, der sich versteckt hatte wegen dem ich das Leiden aushalten musste. Ich hasste mich selbst zu zögern, Szigeti zu umarmen aus Angst vor Läusen und mich heimlich zu kratzen, so dass die anderen nicht sehen konnten, dass ich bereits infiziert war und sie mich meiden würden. War es richtig von mir, nicht zuzugeben, dass ich Läuse von Szigeti bekommen hatte und ich sie ihnen womöglich weitergeben würde. War die Angst, isoliert zu sein, die ausreichende Berechtigung für Schweigen? Rechtfertigte der Terror für den Mann, der sich versteckt hatte, dass er sich versteckt hatte? Ich fühlte, dass die Antwort nein sein musste, definitiv nein. Furcht konnte alles rechtfertigen: Die Lager- und Blockältesten , die Gefangene schlagen würden und direkt dazu angewiesen zu sein, sondern nur um ihre eigene Position fürchteten; die Männer, die Brot stahlen, wie wir in Dachau hörten vor Angst an Hunger zu sterben; sogar die Deutschen, die befahlen einen Mann tot zu schlagen aus Angst. Andere würden flüchten und sie selbst würden bestraft von ihren Vorgesetzten. Es war eine Frage, dass lange bevor es von Juristen geklärt war, dass ein Mann bestraft worden war, weil er Nahrung für seine hungrigen Kinder stahl. Viele andere Beispiele kamen einem in den Sinn aus dem zivilen Leben. Aber zur gleichen Zeit kamen Zweifel auf. War es möglich, allgemeine menschliche Gesetze, die das Zivilleben regeln auf das Lager zu übertragen? Ich fürchtete, dass die Antwort nein war, weil ganz andere Gesetze hier herrschten. Aber welche Gesetze? Und ich erinnerte mich, dass ich in Dachau über den Existenzkampf und die Regeln, die daraus resultierten, gehört hatte. Ich bemerkte, dass die einzigen Alternativen waren. entweder sich an die allgemeinen Gesetze der Gesellschaft zu halten oder sich den Naturgesetzen zu ergeben, die Gesetze der wilden Tiere, die alles erlaubten, was dazu dient, das Leben zu erhalten. Dabei waren Diebstahl und Mord keine kriminellen Taten, sondern Wege, das Leben zu erhalten. Wenn ich nicht stehle, werde ich bestohlen. Wenn ich nicht töte, werde ich getötet. Trotzdem ich kehrte zurück nach den Gesetzen zu leben, die ich zuhause gelernt hatte; um als Mensch zu sterben und nicht als Tier. Ich wusste, wie schwer es sein würde, diese Lösung durchzuhalten angesichts des ständigen Hungers, der Kälte und der Angst, aber ich betrachtete das als Bestimmung, die mir die Stärke geben würde, um zu überleben.
Am nächsten Morgen als uns der Blockälteste aufweckte, war ich schon auf und es schien, dass auch andere wach waren, die diese erste Nacht im Arbeitslager waren. Wir holten unsere Portion Kaffee ab und eilten dann zum Appellplatz. Diese Mal gab es keinen Grund für den Blockältesten uns mit Rufen oder Schlägen anzutreiben. Wir hatten im Voraus aufgegeben. Wir hatten uns nicht nur der deutschen Autorität ergeben, sondern auch der jüdischen Autorität. Dieser Appell ging still vor sich und niemand fehlte. Nach dem üblichen Zählen fragte der SS-Mann, ob da ein junger Mann wäre, der gut deutsch könne und vorbereitet werden könne, um der Laufbursche des Kommandanten zu sein. Keiner meldete sich freiwillig. Ich dachte vielleicht, dass es mir wert wäre, aber gleichzeitig zögerte ich. Ich rief mir ähnliche Anfragen an Ungarn ins Gedächtnis, nach Leuten die Klavier spielen konnten und wenn drei vortraten, dann wurden sie zum Säubern von Kloschüsseln geschickt, wofür man, wie ihnen gesagt wurde, musikalisches Talent brauchte. Ich schaute zu den Veteranen hinüber, unter denen auch etliche junge Männer waren. Wie ich später erfuhr, gab es eine große Gruppe von Jungen, die in einem großen Zelt lebten, der als Jungen-Block bekannt war. Offensichtlich gab es Grund für niemanden sich freiwillig zu melden. Aber was war das? Der Deutsche drehte sich schließlich zu einem der Jungs und fragte ihn, warum er sich nicht freiwillig melde. Er antwortete, dass sein deutsch nicht fließend sei, wodurch er aus der Liste fiel.
Der Lagerälteste rief dann Bauarbeiter auf, vorzutreten. Niemand bewegte sich. Ich dachte, dass obwohl ich kein Bauarbeiter war, ich doch ein Jahr mit einem gearbeitet hatte und etwas davon wusste. Ich flüsterte das meinem Freund zu und wir beschlossen beide uns freiwillig zu melden und dachten, dass es vielleicht wert sei zu versuchen eine etwas andere Arbeit als die übliche zu tun, über die wir nur Klagen gehört hatten. Wir traten vor. Als er keine anderen Freiwilligen bekam, nahm uns der Lagerälteste. Wir standen daneben und sahen zu, wie die weiteren Arbeitseinsätze verteilt wurden. Wir hörten den Deutschen nach 20 Mann rufen, die eine bestimmte Arbeit tun sollten und der Lagerälteste hatte kaum angekündigt, was es war, als etwa 50 vorwärts rannten, alles Veteranen. Der Lagerälteste rief einen Mann, der ein blaues Band um den Ärmel mit dem Wort Kapo“ und sagte ihm, er solle 20 aussuchen und die anderen in die Reihe zurückzuschicken. Dasselbe geschah, als 40 Mann für eine andere Arbeit gebraucht wurden. Über 100 Veteranen drückten und drängten um Platz und trotz der Schläge des Kapos, wollten sie nicht in die Reihe zurückkehren. Schließlich wurden die, die nicht ausgewählt wurden, auf die Seite genommen und noch einmal gezählt. Wir sahen, dass mehrere der Veteranen versuchten wegzurennen, aber die Kapos trieben sie mit brutalen Schlägen zurück. Dann kam ein Deutscher und fragte, ob die Gruppe für die Hauptbaustelle bereit sei. Es wurde ihm bejaht, aber die Kapos versuchten weiterhin Männer in die Reihe zu ziehen. Zuletzt begannen sie den Appellplatz zu verlassen, indem sie auf das Tor zugingen mit den Kapos als Wache auf beiden Seiten und am Ende der Linie, um zu verhindern, dass jemand die reihe verließ. Manche versuchten es, aber ich glaube nicht, dass es jemandem gelang. Wir fragten uns, welche Arbeit auf der Hauptbaustelle zu machen war, dass alle Veteranen so eifrig bestrebt waren, sie zu vermeiden. Wir bemerkten, dass alle Neuankömmlinge, auch unsere Gruppe für diese Arbeit genommen wurden.
Schließlich kamen wir an die Reihe. Ein Kapo rief uns auf, mit ihm zu gehen. Er sprach nur mit Schwierigkeiten deutsch, aber wir verstanden es irgendwie. Er sagte, dass wir froh sein könnten, denn unsere Arbeit würde leicht sein und keine große Erfahrung erfordern. Wir hatten die Aufgabe, mit ihm Öfen für den Krankenblock zu bauen. Die Öfen wären beinahe fertig, erforderten nur mehr Endarbeiten. Bald würden wir beginnen, andere Öfen zu bauen. Er war sehr freundlich und begann von sich selbst zu erzählen. Er war aus Griechenland, Saloniki, wo er das Baugewerbe erlernt hatte, dank dessen er sich ganz gut durch das Lagerleben geschlagen hatte. Die Deutschen waren sehr zufrieden mit seiner Arbeit und hatten ihn am Tag zuvor zum Kapo gemacht. Er fügte hinzu, dass er Kartoffel für uns organisieren würde, wenn wir gut arbeiten würden. Was bedeutete „Kartoffeln organisieren“? Er lachte. „Organisieren“ ist das geläufigste Wort im Lager. Stehlen war verboten, aber „organisieren“ war erlaubt. Es war eine Art Stehlen, das aber nur so genannt wurde, wenn es entdeckt wurde. Niemand im Lager würde sagen, dass er etwas stehlen wolle; er „organisierte“ es. Die Menschen aber, denen es gestohlen wurde, würden aber nicht sagen, dass es von ihnen organisiert wurde, sondern dass es gestohlen wurde. So wurde das „Organisieren“ gebraucht. Zur gleichen Zeit hatte das Wort im Lager verschiedene Bedeutungen. Der, der von einem Kameraden stahl, war ein Dieb, aber von einem Deutschen oder der Küche oder einem anderen öffentlichen Platz wurde es „organisiert“. So ging der Kapo jeden Tag los und organisierte Kartoffeln von der deutschen Küche. Er verließ das Lager mit einem schmalen Karren, um Steine für die Bauten zu bringen. Die Steine wurden in der Nähe der deutschen Küche gelagert und es war nichts leichter als ein paar Kartoffeln darunter zu verstecken. Wir fragten ihn, ob es viele Gelegenheiten gäbe, um Nahrung zu organisieren. Beinahe keine, antwortete er. Nur die, die in kleinen Plätzen arbeiten, hatten manchmal eine Gelegenheit, aber für die auf der Hauptbaustelle war es unmöglich außer an Zement heranzukommen, wenn sie das wollten, denn die Bedingungen für die Arbeit waren fürchterlich. 12 Stunden am Tag mussten sie Zementsäcke auf dem Rücken tragen, die 50 Kilo wogen. Was noch schlimmer war, sie mussten sich schnell bewegen und ohne stehen zu bleiben, denn der Zement musste nonstop an die Mischmaschinen geliefert werden. Die Deutschen bestanden darauf, dass die Mischmaschine nicht eine Minute stehen bleiben durfte. Um das sicherzustellen, trieben die Deutschen die Männer an und schlugen sie, während sie die schweren Säcke auf dem Rücken trugen. Jeden Tag wurden Männer durch die Schläge in den Tod getrieben, die sie während der Arbeit bekamen oder weil sie sich vor der Arbeit drücken wollten. Wir verstanden nun, warum die Veteranen versucht hatten, zu Gruppen mit anderen Aufgaben zu kommen und nicht für die Arbeit auf der Hauptbaustelle. Wir bedauerten unsere Kameraden während wir froh waren, das wir uns freiwillig für unseren eigenen Job gemeldet hatten.
Inzwischen waren wir zum Krankenblock gekommen und betraten eines der Gebäude. Der Anblick erschütterte uns. Es war wie ein Alptraum. Es war, wie wenn man die Unterwelt betreten hatte und von Toten umgeben war, die plötzlich wiederauferstanden waren und sich zu bewegen begannen, sich aufsetzten, sogar aufstanden. Aber es war kein Traum, und diese nackten Kreaturen waren nicht tot und wieder zum Leben erwacht, sondern lebende Männer auf dem Weg in den Tod. Kein Skelett in das Leben eingeblasen worden war, sondern menschliche Wesen, die einen undenkbaren physischer und geistiger Zustand erreicht hatten. Sie waren bereit jeden Moment zum Krematorium gebracht zu werden und dachten zuerst, dass wir zu diesem Zweck gekommen waren. Manche waren froh und andere versuchten sich zu verstecken. Sie beruhigten sich erst, als wir begannen an dem Ofen zu arbeiten. Drei von ihnen setzten sich in unserer Nähe hin als sie uns ungarisch reden hörten. Sie beobachteten uns beim Arbeiten und fragten nur in großen Abständen über diesen oder jenen Kapo oder Blockältesten, und als wir sagten, dass wir Neuankömmlinge waren, und diese Leute gar nicht kannten, stellten sie jeden Kontakt zu uns ein. Sie brachten sich nicht dazu, etwas über die Vergangenheit oder Ungarn zu erzählen. Sie erinnerten sich nur an das Lage, nichts anderes. Auf unsere Fragen reagierten sie unwillig. Was bedeutete die Stadt aus der sie herkamen? Wen scherte es, ob man Bekannte im Ort hatte? Wichtig war nur, dass hier im Krankenblock niemand sie schlug, nicht der Kapo oder der SS-Mann oder sonst irgendwer. Sie bekamen weniger Nahrung als außerhalb und sogar das aßen sie nicht immer. Hier sprachen sie nur vom Tod, aber es war ohne Furcht. Sie fürchteten nur die Schläge und die Schmerzen. Als ich das sah, sagte ich zu meinem Freund, dass wir uns nie erlauben durften so einen Zustand zu bekommen, denn aus ihm gab es keinen Weg zurück ins Leben. Diese Leute wollten in den Krankenbau, um die Schläge zu vermeiden, aber es schien mir, als ob sie damit die letzte Brücke hinter sich verbrannt hatten und sich die letzte Hoffnung zerstörten, sich am Leben zu erhalten bis der Krieg zu Ende ging. Wir wollten lieber leiden, wenn wir nur von diesem Platz wegbleiben konnten. Es ist leicht das jetzt zu sagen, aber würden wir in der Lage sein das etwas später noch zu sagen. Konnten wir ausführen, was wir uns in diesem Moment selber versprachen?
Wir fühlten uns erleichtert, als uns der Kapo herausrief, um Steine vom Karren abzuladen. Unter den Steinen waren ein paar Kartoffeln, von denen wir alle zwei erhielten. Der Kapo zündete ein Feuer an, in das wir ein paar, auch unsere, legten. Als wir sie aßen, erschienen sie uns als die besten und geschmackvollsten, die wir jemals gegessen hatten. Aber meine Stimmung sank, weil ich mich immer wieder kratzen musste. Ich erzählte meinem Freund, dass ich fast sicher war, dass ich Läuse hatte. Er sagte, dass er sich immer kratzen müsse, aber er glaubte, es war nur Einbildung. Er sah die anderen auch sich kratzen, so dass wir dachten, wir müssten es ihnen nachmachen. Er könne recht haben, sagte ich, aber auf alle Fälle wäre es anzuraten, unsere Kleidung nach der Arbeit genau zu untersuchen. Zu unserem Entsetzen fanden wir unsere Hemden voller Läuse. Unserer Krieg gegen sie dauerte von diesem Tag an bis etliche Tage nach unserer Befreiung, wobei während dieser Zeit die Läuse immer die Oberhand behielten. Für jedes hundert, das wir töteten, nahmen tausend neue ihren Platz ein. Läusetöten wurde eine regelmäßige Tagesbeschäftigung vor dem Schlafengehen und immer wenn wir eine Pause hatten.
Der erste Tag ging vorbei, der zweite, der dritte und der vierte, scheinbar endlos. Wir wunderten uns, wie viele gestorben waren und wie viele noch übrigbleiben bis zum 1. Januar 1945, dem Datum das wir als Zieldatum beschlossen, zu dem der Krieg sicher beendet würde mit dem Sieg der Alliierten und wer so glücklich war, es zu erreichen, würde diese Hölle verlassen können. Es war schwierig die Tage zu zählen, das Datum, das wir erreichen wollten, kam so unendlich langsam näher. Die Arbeitsstunden schienen immer länger zu werden und die Schlafstunden immer kürzer. Schließlich kam der erwartete tag aber er brachte nicht die Befreiung. Diese Enttäuschung war bitter. Was würde aus uns werden? Wir konnten nicht mehr viel länger aushalten. Einige unserer Kameraden waren bereits tot und viele andere waren ein Schatten ihrer selbst und es war ein Wunder, dass ihre Beine sie noch tragen konnten. Die paar, die noch ihre Sinne beisammen hatten, setzten den 15. Januar als letztes Datum für das Kriegsende, dann schoben sie es 14 Tage hinaus und später immer weiter, aber an das letzte Datum erinnere ich mich nicht mehr. Mit jeder neuen Schätzung sank die Zahl derer, die daran glaubten, während die der apathischen über jede Erwartung wuchs. Sie hörten auf zu glauben und zu hoffen. Nur zwei Dinge blieben in ihren Gedanken haften: Hunger und die Schläge. Wie man etwas mehr Nahrung bekam und wie man weniger Schläge bekam. In einem Monat oder zwei waren wir zu Lagerhöhlenmenschen geworden, nicht unterscheidbar von den Veteranen. Dieselbe denkweise, dieselbe schlimme Erscheinung. Nun konnten wir verstehen, warum sie uns ausgelacht hatten, als wir unsere Hoffnungen ausgesprochen hatten und über das Enddatum spekulierten. Die Bemerkung „Der Krieg wird niemals enden“ wurde uns klar. Der Tod war der Zeitpunkt unserer Befreiung.
Ich ging auch durch Phasen der falschen Hoffnungen, von Spannung zur Apathie. Ich kam in ein Stadium, wo ich nicht mehr darum scherte, dass ein weiterer Tag verging. Alles wurde mechanisch: das Aufstehen am Morgen, stehen beim Appell, kämpfen um einen besseren Platz bei der Arbeit oder die tägliche Ration Essen zu bekommen, Läusetöten, sich nicht gegen das Schlagen zu wehren, egal ob man den Grund dafür wusste oder nicht. Es ist deshalb kein Wunder, dass diese Tage mir in der Erinnerung sehr verwirrt erscheinen, dass ich nicht mehr die Abfolge der Ereignisse erinnere. Bestimmte Bilder scheinen sich in mein Gedächtnis eingegraben zu haben. Ich erinnere mich, dass ich manche Dinge selber gesehen habe oder von ihnen gehört habe; aber genau weiß ich das nicht; oder Gespräche mit einem Kameraden oder einem anderen, aber nicht die Umstände. Diese Vergessen ist nicht auf die 10 Jahre zurückzuführen, die vergangen sind seit meiner Befreiung aus dem Konzentrationslager, sondern auf die Apathie, das mich in diesem Zeitabschnitt umfing – eine Apathie und eine Gleichgültigkeit, die durch das Leben im Lager verursacht wurde.
Wie sein Name sagt, lag das Mühldorfer Waldlager in einem Forst einige Kilometer entfernt von den bewohnten Gegenden. Die nächsten Orte waren Ampfing in der einen Richtung und Mühldorf in der anderen. Unser „Mutter-Lager“, Mühldorf Altlager, war größer als unseres und enthielt die Hauptbaustelle, wo wir auch arbeiteten. gewöhnlich arbeiteten wir im Westen des Lagers während die Leute aus dem Hauptlager auf der Ostseite arbeiteten, aber zu manchen Zeiten waren wir auch zusammen. Gegen Kriegsende zerlegten wir das Lager zusammen. Der Kommandeur unseres Lagers war ein SS-Captain, unterstützt von einer ganzen Einheit von Aufsehern, alle SS-Leute. Außerhalb des Lagers auf der anderen Seite der Straße war eine Anzahl von Holzhütten, in denen sie lebten. Über sie weiß ich kaum etwas. In einem von ihnen lebten ein paar jüdische Mädchen, die mit saubermachen, kochen und ähnlichen Pflichten beschäftigt waren. Ich habe keine sicheren Informationen über sie, denn ich kam nie mit ihnen in Kontakt und sah sie nur aus der Entfernung.
Von ihrer äußeren Erscheinung her, litten sie nicht an Hunger, Schmutz oder Läusen und wir beneideten sie oft. Zweifellos hatte ihr Leben so wenig wert wie unseres, aber schließlich waren sie nicht zu einem langsamen Tod verdammt.
Es gab andere Lager in der Nachbarschaft, wo Nicht-Juden einquartiert waren, die mit uns auf der Hauptbaustelle arbeiteten. Unter ihnen waren deutsche, Italiener und Ukrainer. Die deutschen gehörten zur Organisation Todt, alles Veteranen der deutschen Armee. Sie waren mit technischen Aufgaben beschäftigt und waren verantwortlich für unsere Arbeit. Die SS-Leute brachten uns zur und zurück von der Arbeit und waren verantwortlich für die Aufrechterhaltung von Pflichtgefühl und Disziplin. In Wirklichkeit zogen die Leute der Organisation Todt oft Dinge an sich und schlugen uns sogar schlimmer als die SS-Leute. Einige halfen uns jedoch im Gegensatz zu den SS-Leuten, von denen ich nie ein gutes Wort hörte. Die Italiener schienen politische Gefangene zu sein. Ihre Arbeit war leichter als unsere und ihre Verpflegung und ihre Kleidung besser. Die Ukrainer waren Verräter, die zu den Deutschen übergelaufen waren und gegen die Rote Armee kämpfen wollten. Sie waren ins Innere Deutschlands gebracht worden und wurden als Arbeiter benutzt. Was ich hörte, waren sie nicht an ein Lager gebunden, konnten sich im Dorf frei bewegen, durften aber diesen Platz nicht verlassen.
Unser Lager war in zwei Hälften geteilt, mit einer Straße dazwischen. Eines wurde das Sommerlager genannt, das andere das Winterlager. Als wir ankamen, war nur das erste fertig; das zweite wurde gerade gebaut. Wir lebten in großen Zelten im Sommerlager, in die der Regen oft eindrang. Im Winterlager waren die Bedingungen besser, wo wir kleine Gebäude hatten, einige von ihnen waren unterirdisch mit Stufen, die hinunterführten zu den Eingängen. Pfeiler in der Mitte der Konstruktionen hielten das Dach, das auf zwei Seiten den Boden berührte. Die Seiten waren mit Graswasen bedeckt, um die Kälte abzuhalten. Die Inneneinrichtung war vom Einfachsten. Eine leere Gasse in Türbreite lief durch die Länge der Behausung. Gegenüber der Tür war ein Ofen, gebaut aus Steinen. Auf beiden Seiten der Gasse waren unsere Schlafplätze. Holzbohlen waren auf den Boden gelegt mit Matratzen auf der vollen Hauslänge. Diese Betten lagen einen Meter höher als der Boden der Gasse, der Höhenunterschied war dafür verantwortlich, dass nur die Gasse und die Stufen ausgegraben werden mussten. In Wirklichkeit lagen wir auf der Erde mit unseren Köpfen knapp unter dem Dach sodass die Schräge es uns unmöglich machte in der Mitte des Bettes aufrecht zu sitzen und am Ende des Bettes zu8 stehen. Ein elektrisches Licht über dem Eingang war beinahe immer an, denn der Raum war sehr dunkel. Ich erinnere mich nicht, ob es ein Fenster gab oder nicht. Wenn es eines gab, kann es nur über der Tür gewesen sein, aber ich erinnere mich nicht daran. Die Belüftung war durch die Tür gegeben, die offen stand während der langen Stunden, die wir unterwegs zur Arbeit waren.
Die Zelte im Sommerlager standen eng zusammen ohne eine bestimmte Ordnung. Zu den Essenszeiten hatten wir uns aufzustellen auf einem offenen Platz auf der anderen Seite des Camps. Die Anordnung im Winterlager war regelmäßiger, wo die Häuser in einer Art6 Straße gebaut waren, fünf (wenn ich mich recht erinnere) auf jeder Seite, Nummer 1 gegenüber von Nummer 6 und so weiter. Die 10 Hütten in einer Straße bildeten einen Block, ihre Nummer war an der Vorderseite angebracht wo, die Straße mit der Hauptlagerstraße zusammentraf. Der Blockälteste und sein Assistent lebten normalerweise in einem der mittleren Hütten, also in Nummer 3 oder Nummer 8. Am Ende des Blocks stand die Latrine, für deren Säuberung wir zuständig waren. Die Rückseiten der Blocks standen sich gegenüber sodass ein System von Straßen entstand. Der Appell fand in diesen Straßen statt, sodass wir nicht immer zudem Appellplatz hinausrennen mussten, sondern uns außerhalb der Hütten aufstellen mussten. trotzdem gab es im Winterlager Fälle, dass beim Appell Leute fehlten, entweder aus Angst die Hütte zu verlassen, denn auch diese Appelle waren lang und ermüdend. Diese Appelle machte die Arbeit leichter für die Leute, die für die Arbeitseinteilung verantwortlich waren, die getrennt in den Blöcken zu leisten war, aber manchmal wurden alle Leute eines Blocks an dieselbe Stelle zur Arbeit geschickt. Dass schien einer der Hauptgründe für die Trennung von Veteranen und Neuankömmlingen in verschiedene Blocks gewesen zu sein. Die Veteranen wurden zu den einfacheren Arbeitsplätzen geschickt und die anderen meistens zur Hauptbaustelle. Dieses Arrangement blieb dasselbe, als wie selbst Veteranen geworden waren gegenüber denen, die neu dazu kamen.
Außer den Schlafquartieren waren andere Strukturen, die im Sommerlager blieben während des Winters, während andere zu anderen Orten im Winterlager verlegt wurden. Die Küche, die Entlausungsstation, Krankenhütten und auch das Büro blieben im Sommerlager das ganze Jahr. Die Schuhreparatur, Nähstube und die Haarschneidehütten und auch der Krankenbau wurden ins Winterlager verlegt. In den letzten Monaten wurde ein spezieller Block für Leute eingerichtet, die vom Arzt für einige Tage Ruhe verordnet bekamen. Dies wurde als „Schonungsblock“ bezeichnet, das war ein Block für Krankenvorsorge. Er war notwendig geworden, seit vor einigen Monaten die Gaskammern nicht mehr arbeiteten, sodass Selektionen nicht mehr gemacht wurden, um Leute in den Tod zu schicken, die nicht mehr arbeitsfähig waren und die kranken wurden nicht mehr vom Lager weggeschickt. Warum wurden sie nicht auf eine andere Art getötet und warum wurde ihnen Essen gegeben, sozusagen für nichts? das ist mir nicht klar, aber es scheint etwas mit dem Näherkommen der Alliierten zu tun zu haben. Es gibt eine Übereinstimmung dieser Vermutung mit der Tatsache, dass von Zeit zu Zeit sogar die Deutschen die Brotrationen reduziert hatten, von denen die noch arbeiten konnten, währen sie die kleinen Rationen der kranken nicht anrührten, obwohl die letzteren nicht mehr von Wert für die Arbeit waren. Das stand im gänzlichen Gegensatz zu dem, was die Deutschen all die vorausgegangenen Jahre getan hatten.
Das Leben im Schonungsblock unterschied sich sehr stark von dem in den Krankenbaus. Der einzige Unterschied zwischen den Männern in diesem Block und den anderen Leuten im Lager war, dass diese nicht zur Arbeit gehen brauchten. Sie mussten sich zum Appell aufstellen, mussten gehen und ihr Essen abholen und trugen die übliche Lagerkleidung. In den Krankenbauten lagen die Männer komplett nackt auf ihre betten, sie mussten nicht zum Appell und das Essen wurde ihnen gebracht. Sie lagen in Zweistockbetten. Zu Appellzeiten schauten die Bewacher herein, um zu sehen, wer noch lebte. Die Bewacher meldeten den Tod eines Mannes nicht sofort, sondern nahmen seine Essensration und ließen ihn dort einen halben Tag oder einen Tag liegen. Wenn einer der anderen Patienten versuchte die Essensration des Toten zu nehmen (was mehr als eine Ration bedeuten würde, denn sie wurde oft unter der Matratze versteckt) hätten ihn die Bewacher erbarmungslos geschlagen, um ihr Erstrecht auf die Ration durchzusetzen. Ich erinnere mich an einen Fall, wo ein Mann tot erklärt wurde und aus dem Krankenbau entfernt wurde, wo er dann wieder das Bewusstsein erlangte. Er wurde wieder ihn den Krankenbau gebracht, aber musste den Tag ohne Brot verbringen. Seine Ration war verschwunden als er für tot erklärt wurde und sein Name von der Essensrationsliste gestrichen worden war und wurde nicht ersetzt, als er wieder zu den Lebenden gezählt wurde.
Für die gewöhnlichen Patienten gab es kaum eine Behandlung, aus verschiedenen Gründen. Die Ärzte beklagten sich, dass sie keine Medikamente hatten, obwohl die Patienten erklärten dass sie diese für bevorzugte Patienten zurückhielten. Beides schien richtig zu sein, die Ärzte zum Teil in Verbindung mit Fällen von Typhus und allgemeiner Schwäche, die letztere war die üblichste Form von Krankheit – wenn es eine Krankheit genannt werden kann. Das grundsätzliche Medikament mit geringem Vorrat war Nahrung. Aber es kann nicht wegdiskutiert werden, dass die Behandlung für einen wichtigen Menschen im Lager ganz anders verlief.
Einmal wurde ich in den Krankenbau gebracht, als ich an schwerem Durchfall litt, und am nächsten Tag wurde der Lagerschreiber in meinen Raum gelegt. Er war einer der wichtigsten Männer im Camp, der mit dem Lagerältesten und dessen Assistenten das regierende Triumphirat. Soweit ich mich erinnere, hatte er Ausschlag im Mund und sein Gesicht war angeschwollen. Ihm wurden alle Sorten von Medikamenten gegeben und alle paar Minuten kam der Arzt herein und fragte, wie es ihm ging und ob er etwas benötigte. Die häufigste Hilfe, die von den Ärzten gegeben wurde, war die Art Wunden zu verbinden( genauer, auf sie zu warten, denn für die meisten Fälle war der passende Verband nicht verfügbar) und Holzkohle zu verteilen gegen Durchfall, an alle die danach fragten. Es gab einen Zeitabschnitt, wo ich jeden Tank zum Krankenbau ging, um Holzkohle zu holen, zum einen gegen meinen Durchfall und zum anderen, um es als Nahrung zu benutzen. Ich war hungrig und Holzkohle konnte ohne Schaden gegessen werden. Ich machte damit weiter, als ich das herausgefunden hatte.
Ich blieb nur einige Tage im Krankenbau. Sobald ich mich ein bisschen besser fühlte, bat ich, mich zu entlassen. Das erscheint vielleicht seltsam, dass jemand einen ort verlassen will, der eine Art von Rückzugsplatz war, um zur Arbeit unter schrecklichen Bedingungen zurückzukehren. Aber das war keine Dummheit. Wie wussten alle, dass es gewöhnlich sehr schwierig war aus dem Krankenbau zu kommen, seit wir so schwach geworden waren, dass wir gehen, arbeiten und alles andere aus Gewohnheit taten, und wenn wir außerhalb dieser Gewohnheiten gerieten, wenn wir im Krankenbau lagen, würde wir nicht die Stärke aufbauen, die man brauchte, um zu diesen harten Bedingungen zurückzukehren. Jene, die sich selbst mit der Idee abgefunden hatten, dass sie bald sterben würden, versuchten in den Krankenbau zu kommen, um ihre zeit in verhältnismäßiger Ruhe vergehen zu lassen. Jene aber, die noch am leben hingen, taten alles, um nicht in den Krankenbau zu kommen oder wenigstens, um in den Schonungsblock zu kommen. Ich erinnere mich an einen Burschen, der wegen hohem Fieber den Krankenbau ablehnte und hinaus zur Arbeit ging. Er lebt immer noch. Als ich selber in den Krankenbau ging, war ich mir der Gefahren bewusst, aber ich konnte es nicht länger aushalten. Anscheinend hatte ich nur eine schwere Erkältung, weil ich mich bald besser fühlte. Ich beschloss deshalb zu versuchen, zurück zur Arbeit zu kommen. Am Anfang war die Arbeit noch nicht so schwer. Meine Beine konnten mich kaum tragen, und ich wurde glücklicherweise zu leichter Arbeit geschickt. Wäre ich zur Arbeit auf der Hauptbaustelle geschickt worden, gibt es keinen Zweifel, dass ich bald zusammengebrochen wäre.
Im Krankenbau schloss ich Bekanntschaft mit einem Mann, über den mir Dr. Szigeti in den ersten Lagertagen viel erzählt hatte. Er war der Chef des Krankenbaus, obwohl es Gerüchte gab, dass er keine medizinische Ausbildung hatte und nur ein Bader aus einem Vorort von Paris war. Wie er seine gegenwärtige Stellung erhalten hatte, wussten wir nicht, noch getrauten wir uns nachzuforschen, denn seine Macht war außergewöhnlich. Er hatte die komplette Kontrolle über alles im Krankenbau und er war außerhalb dieser Mauern gefürchtet, weil man nie wusste, wann man medizinische Hilfe brauchen würde und so in seine Hände fallen würde. Ich selbst kann nichts Schlechtes über ihn sagen. Im Gegenteil, er war einer der wenigen, von dem ich Gutes reden hörte. Er war einer der wenigen, die einem manchmal erlaubten, begleitet von einem SS-Mann das Lager zu verlassen, zu einem anderen Lager oder in ein Dorf zu gehen, um Medikamente zu holen oder andere Dinge, die für den Krankenbau gebraucht wurden. Er hatte seine Autorität, genau so wie Dr. Szigeti, mit verdächtigen Methoden erworben – nicht durch Schwindel in Verbindung mit ihrem Beruf, aber in dem sie alle los wurden, die ihnen im Weg standen. Dr. Szigeti, der daheim ein bekannter Zahnarzt war, nahm es zuerst auf sich, mit Unterstützung der Deutschen, eine „Zahnklinik“ im Lager zu organisieren. Er war unabhängig vom Krankenbau und stand nicht direkt unter der Zuständigkeit des Direktors. Der letztere, der einen Konkurrenten fühlte, hatte den Zahnarzt jeden Tag zum Arbeitsdienst ausgeschickt, wenn nicht viel Arbeit in der Klinik war, und rief ihn nur zurück, wenn er gebraucht wurde. Inzwischen achtete er darauf, dass niemand zahnärztliche Behandlung verlangte. Patienten wurden zum allgemeinen Krankenbau geschickt, wo er selbst die Instrumente des Zahnarztes benutzt und versuchte den Patienten zu behandeln. So wurde Dr. Szigeti aus seiner Praxis gedrängt und zu allen Arten schwerer Arbeit geschickt, bis er in den Zustand eines Muselmannes zerfiel, die seine Rückkehr in die Klinik unmöglich machte. Er starb 20 Tage nachdem ich in das Lager gekommen war.
Ich besuchte die Klinik noch einmal, dieses Mal für mehrere Wochen. Es war nicht gefährlich, aber sehr unerfreulich. Meine Holzschuhe erzeugten offene Füße, die nicht heilen wollten. Ich ging jeden Abend zum Krankenbau, wo die Wunden gesäubert und verbunden wurden. um zu verhindern, dass sie bis zum Morgen austrockneten. Der Gang zur Arbeit öffnete sie jedoch wieder und jeder Schritt war sehr schmerzend, ein Schmerz, der die ganzen 15 Stunden nicht aufhörte, bis ich wieder zum Krankenbau gehen konnte und dann ins Bett und meine Schuhe ausziehen konnte. Das Laufen mit diesen Holzschuhen war sehr unbequem, besonders im Schnee, der an den Sohlen festklebte. Es war so schlimm, dass im Winter der Marsch zur Arbeit und ins Lager wirklich anstrengender war als die Arbeit selbst. Es war unmöglich mit dem Schnee an den Sohlen zu laufen. Um ihn wegzubekommen, musste man einen Moment stehen bleiben, aber die Deutschen würden erlaubten niemand die reihe zu verlassen. Sie achteten strikt darauf, dass wir unsere Linie einhielten und schlugen dich, wenn du herausgefallen bist. Kein Wunder dass die Wunden nicht heilten, besonders seit ich meine Schuhe barfuß ohne Socken anziehen musste die sie wenigstens ein bisschen geschützt hätten. Meine Füße sind seit diesen Tagen geschädigt.
Wie ich erwähnt habe, waren uns alle unsere Besitztümer und Kleider uns in Dachau abgenommen worden, außer unseren Schuhen. Meine waren sehr gut, die ich speziell für meinen Arbeitsdienst in Ungarn gekauft hatte. Sie waren in so gutem Zustand, dass zuerst einige der privilegierten Leute, jene, die spezielle Jobs hatten, nach ihnen fragten im Austausch gegen Holzschuhe und eine bestimmte Anzahl Zigaretten oder Suppenrationen. Ich verweigerte das, weil Dr. Szigeti mich vor den Holzschuhen gewarnt hatte. Nach einiger Zeit brach allerdings die Naht auf der Rückseite auf und ließ Wasser eindringen, und ich musste sie zur Reparatur bringen, obwohl ich das Risiko kannte. der Schuster gab mir eine Paar alte Holzschuhe für einen tag oder zwei, eine Zeit die sich selbst unbestimmt ausdehnte. Zuerst sagte er, dass er mit der Arbeit noch nicht fertig war, dann, dass er sie verloren hätte und schließlich warf er mich hinaus. Ich sah später, dass sie von einem Kapo getragen wurden, und als ich mir erlaubte, sie zurück haben zu wollen, schlug er mich über das Gesicht. Ich ging zurück und beschwerte mich beim Schuster, zeigte ihm meine offenen Füße und bettelte ihn an, mir wenigstens ein paar neue Holzschuhe zu geben, die mir passten. Er stimmte zu, mir ein anderes paar Schuhe zu geben, aber ich fand keine passenden. Dann entdeckte ich ein neues Paar mit der richtigen Größe. Ich probierte sie und lief hinaus und er rief mir „Dieb“ hinterher. Aber er getraute sich, mir in den Block nachzukommen, so behielt ich sie und dank ihnen und mit dem besseren Frühlingswetter begannen meine Wunden zu heilen.
Der Friseurladen wurde als ein Platz der Qualen im Lager betrachtet, die der gewöhnliche Häftling nicht freiwillig aufsuchte. Wir konnten ihn jedoch nicht vermeiden. Nach den Lagerregeln mussten wir unsere Haare sehr kurz schneiden und wir durften uns keine Bärte wachsen lassen. Das rasieren war die größte Tortur, mit fast keiner seife und einem Stumpfen Rasiermesser. Glücklicherweise wuchs unser Haar langsam, wahrscheinlich wegen des unzureichenden Essens. Auch die Nägel wuchsen langsam. Ich erinnere mich nicht, sie kürzen zu müssen, während ich im Lager war. Jenseits der Arbeiten für die gewöhnlichen Häftlinge hatten die Friseure einen, den sie als besonders geeignet erklärten und der die Friseurdienste für die Funktionshäftlinge erledigte. Diese hatten – unter Missachtung der Regeln der deutschen – ihre Haare gestylt und sie rasierten sich jeden Tag. Ich kannte einen der Friseure gut, weil er mit mir aus Ungarn gekommen war. Er erzählte mir von der Friseurarbeit. Wenn wir aus dem Lager bei der Arbeit waren, wurden die Privilegierten bedient. Er wusste, dass wir verletzt wurden, während wir die Haare geschnitten bekamen und rasiert wurden, aber nichts konnte dagegen getan werden. Der Arbeitsdruck war so groß, dass dazwischen keine Zeit blieb, um die Rasiermesser zu schärfen, noch konnten sie mehr Seife benutzen, die für die glücklicheren zurückgehalten wurde, die sie mit mehr Suppenrationen vergalten, leichterer Arbeitspflicht, warme Arbeitsplätze – in aller Kürze, mit Lebenschancen. Ob diese Konstruktion der Friseure gerecht war oder nicht, war zu dieser Zeit nicht wichtig. Es war genug, dass er aufrichtig darüber sprach und es als natürlich ansah, sicher, dass jeder andere in dieser Position dasselbe getan haben würde.
Alle anderen Handwerker versuchten einen speziellen Dienst für die Funktionsleute zu leisten. Ich habe den Schuhmacher erwähnt, der meine Schuhe an einen Kapo weitergab, zweifellos für eine nützliche Gegengabe, direkt oder indirekt. Die Schneider taten dies offen für die Privilegierteren, die einen eigenen Modestil annahmen und sich übereinstimmend kleideten. Die Quellen ihrer Kleidung waren unterschiedlich, aber die Schneider machten die notwendigen Änderungen. Einige von ihnen gelang es eine Länge von gestreiftem Material zu bekommen, das für die Häftlingsanzüge verwendet wurde, die die Schneider dann zu Maßanfertigungen benutzten. Ganz besonders in der Kleidung war der Assistent des Lagerältesten, der der von dem gestreiften Material einen Anzug mit zwei reihe Knöpfen bekam, einen anderen mit einer Reihe und ähnliches. Die Hauptquelle für diese Kleider, besonders in den letzten Monaten war der nicht endende Strom der neuen Häftlinge. Einige von ihnen kamen in Zivilkleidung an, die die deutschen mit speziellen Zeichen an der Vorder- und Rückseiten der Jacken und Hosen gekennzeichnet hatten. Die Funktionshäftlinge versuchten die Kleidungsstücke zu bekommen, die in gutem Zustand waren, entweder durch Druck oder durch tausch, und dann bekamen sie sie geändert. Die äußere Erscheinung des Häftlings gab ein Zeichen für die Stellung im Lager. In dieser Beziehung spiegelten die sozialen Unterschiede im Lager die Welt draußen wieder.
Entlausen war eine wichtige Tätigkeit in unserem Leben. Ein beständiger Kampf wurde gegen die Läuse geführt aber ohne Erfolg. Jeden Monat wurden wir und unsere Kleidung einer sorgfältigen Desinfektion unterzogen und dann war en wir für ein paar Tage frei von der Pest. Aber sie vermehrten sich so stark, dass wir sie innerhalb eines Tages oder so wieder zu fühlen begannen. Sie saugten unser Blut aus mund unser beständiges Kratzen erzeugte Wunden auf unserer Haut, die sie benutzten, um unser Leiden noch schlimmer zu machen. Die Desinfektionsmethode war eähnlich zu der in Dachau, aber wenn sie dort schmerzvoll war in dem sie die Haut verbrannte, war sie hier die wirkliche Quälerei, besonders wenn der Desinfektionsstoff, der benutzt wurde unsere Wunden berührte. Viele hatten Angst vor diesem Prozess, so dass sie lieber die Leiden durch die Läuse ertrugen und sogar die Schläge, wenn sie versuchten, die Entlausung zu vermeiden. Während unsere Körper rasiert wurden und der Stoff über uns geschmiert wurde, unterhielten sich die Kapos und erzählten alle Arten von schmutzigen Geschichten. Unsere Häftlingsanzüge wurden in einem Desinfektionsofen ausgekocht, so dass die Läuseeier auch zerstört wurden. Aber die offenen Wunden, die wir nicht beim Kratzen vermeiden konnten, waren kaum verheilt, wenn wieder von den Läusen befallen wurden.
Der Kapo, der sich vergnügte mit unserem Aufwand, war kein Jude, sondern ein Deutscher, der wegen krimineller Handlungen zu einigen Jahren in einem Konzentrationslager verurteilt worden war. Er war die Art von Leuten, die wir am meisten fürchteten. Sie behandelten uns mit der absoluten Barbarei. Unter ihnen waren Diebe, Banditen und Mörder, bereit zu jeder Barbarei. Unter ihnen waren auch Nazis und Judenhasser, die auch reichlich und triumphierend Gelegenheiten zum Quälen ihrer hilflosen Opfer ergriffen. Ich erinnere mich an eine Gelegenheit, wo einer dieser Kapos uns begleitete von einer Stelle der Hauptbaustelle zu einer anderen. Plötzlich ließ er uns halten und begann zu schreien und zu fluchen, um uns rasch in eine Reihe zu bekommen. Er kümmerte sich selbst vorwiegend um die, die am Ende der Schlange waren. Da ich am Anfang der Kette war und ihn sah, achtete ich nicht auf seine Rufe. Plötzlich riss er mir die Schaufel aus der Hand und um seinen Flüchen Ausdruck zu verleihen, schwang er sie auf meinen Kopf. Ich fiel um und wurde bewusstlos. Als ich wieder zu mir kam, weil man Wasser über mich spritzte, wusste ich nicht, was passiert war, ob es wirklich oder nur ein Alptraum war. Meine Freunde erzählten mir, dass der Kapo überhaupt nicht aufhörte bei meinen Zusammenbruch. Er schlug mich, verwünschte mich und glaubte, dass ich simulierte. Es machte ihm nichts aus, einen Juden zu schlagen und schon gar nicht einen, der nicht in der Reihe stand.
Mit der Küche hatten wir kaum Kontakt und es war uns nicht erlaubt, sie zu betreten. Die Männer, die dort arbeiteten, bildeten eine ausgewählte Gruppe von älteren Veteranen, der niemand von uns sich anschließen konnte. Da es keine Toten unter ihnen gab, mussten sie keine neuen Leute dazunehmen. Viele von ihnen waren „fett“, von den Mengen an Suppe, die sie konsumierten, obwohl ich hörte, dass einige von ihnen ihre Zähne verloren, wahrscheinlich wegen der unausgewogenen Diät. Sie waren nicht in der Lage Brot und Margarine zu organisieren und ihre äußere Erscheinung war das Ergebnis von unnatürlichen Schwellungen und nicht von gesunder Verfassung.
Um die hungernden Häftlinge davon abzuhalten, zu nahe zu kommen, wurde die Küche mit einem Stacheldrahtzaun umgeben. Als wir im Sommerlager lebten, nicht weit weg von der Küche, pflegten wir lange dort zu stehen und auf ein Wunder zu hoffen: Vielleicht würde irgendjemand Mitleid mit uns haben und uns etwas zu essen geben. Wir hofften auch, dass der Abfall, der herausgeworfen wurde, einige Kartoffel- oder Karottenschalen enthielt oder einen verfaulten Kartoffel; Dinge die für uns Leckerbissen waren. Und wir hofften auf eine Gelegenheit, etwas von dem Essen zu erwischen, dass den Tieren in der Nähe der Küche gegeben wurde. Das Pferd, das Schwein und der Hund bekamen besseres Fressen, als wir. Das Leben wurde ein wildes Durcheinander. Es waren nicht das Schwein und der Hund, die die Abfälle des Menschen fraßen, sondern umgekehrt. Es ist ein Wunder, dass wir davon nicht krank wurden. Oder vielleicht kränkelten wir, achteten aber nicht darauf. Vielleicht war es der Grund für die weitverbreiteten Durchfallkrankheiten. Wir aßen, was immer wir finden konnten, mit mehr oder weniger Schmutz, aber nie sauber. Wenn wir zeit hatten, wuschen wir es oder hielten es über eine Flamme, aber meistens aßen wir es ohne es zu säubern. Es war immer die ständige Furcht vor Diebstahl und die Erfahrung sagte uns, keine Nahrung für später aufzuheben.
Sogar dieser Kontakt mit der Küche und seiner Nachbarschaft ging uns verloren, als wir ins Winterlager verlegt wurden und damit verloren wir unsere einzige Quelle, so klein sie auch war, etwas zu unseren Rationen dazu zu bekommen. Die einzigen, die in die Nähe der Küche kommen konnten, waren die Freiwilligen, die die Suppeneimer zu unseren Blocks tragen mussten. Die Eimer waren schwer und der Weg war weit, aber es gab immer mehr Freiwillige als gebraucht wurden. Der Lohn für diesen Dienst war eine zusätzliche Ration Suppe und außerdem hofften sie immer, irgendetwas organisieren z u können. Es war interessant zu beobachten, dass sie die Hoffnung nie aufgaben trotz der ständigen Fehlschläge. Die Kontrolle in der Küche war penibel, besonders während der Essensverteilung, währenddessen der Blockälteste da war. um sie zu überwachen. Oft wurde ein Eimerträger erwischt, der versuchte. sein Teller mit Suppe zu füllen und es auf der Stelle zu trinken. Die Bestrafung war hart. Anstatt der zwei Portionen Suppe, die ihm zustanden, bekam er nichts außer Schläge.
Neben der Suppe bekamen wir ein kleines Stück Brot zusammen mit einem Bissen Margarine oder Wurst und sogar das wurde kleiner im Laufe der Zeit. An Sonntagen wurde ein kleines Päckchen geschmolzener Käse dazugegeben. Zum Kaffee bekamen wir Kaffee oder Tee und an Sonntagen Milch. Diese Flüssigkeiten hatten im allgemeinen eine Gemeinsamkeit. Sie waren Ersatz und hatten eine Farbe, die sie von heißem Wasser unterschieden. Das Frühstück wurde von der Küche in kleinen Karren von den Assistenten des Blockältesten zu jedem Block gebracht, bevor wir aufwachten. Sie brachten auch das Brot usw. das den gewöhnlichen Gefangenen nicht anvertraut wurde, denn wir könnte ein Mensch, der ständig hungerte, dessen Gedanken sich auf Nahrung zentrierte, nicht seine Hand nach dem Brot ausstrecken, wie schrecklich die Strafen auch wären, die ihn erwarteten. Die Blockältesten hatten recht, uns von dem Brot fernzuhalten und nur ihren folgsamen Assistenten zu vertrauen, die andere Belohnungen bekamen und nicht so hungrig waren.
Das Problem nach Nahrung war das grundsätzlichste unseres Lebens, das zentrale Thema bei unserer Unterhaltungen mit entscheidendem Einfluss auf die Beziehungen zwischen den Männern. Die Haltung zu dem Essensproblem stärkte oder beendete Beziehungen zwischen Bekanntschaften, ob alt oder neu mit guten Freunden und sogar mit Mitgliedern der eigenen Familie. Ich erinnere mich an einen Fall von Vater und Sohn, die zusammen im selben Lager waren, die sich gegenseitig nicht vertrauten, weil der Sohn dem Vater bestohlen hatte und der Vater den Sohn und sich wirkliche Feindschaft zwischen ihnen entwickelte.
Andererseits gab es Freundschaften, wo man sich untereinander so viel wie möglich half, wo die Kameradschaft treuer und stärker als zwischen Brüdern in der freien Gesellschaft war. Unter diesen Umständen verlor ich nächsten Freunde vom ungarischen Arbeitsdienst, erhielt aber einen neuen Freund namens Joseph Markovitch. Er kam aus einer ganz anderen sozialen Umgebung und ich hätte nie gedacht, dass die Kommunikation zwischen möglich wäre. Er war sehr religiös orthodox und ein Yeshiva-Student, trug einen Bart und Seitenlocken bis zum letzten möglichen Augenblick. Eine Handlung, die in Dachau Mut erforderte, als wir unsere Besitztümer abliefern mussten, machte ihn unter uns bekannt. Als wir nackt aufgestellt wurden vor dem Registrierungstisch und nur Schuhe trugen, traute er sich trotz der Drohungen und der Furcht etwas in ihnen zu verstecken. Es war kein Geld oder ein Juwel, sondern ein kleines Gebetbuch, von dem er sich nicht trennen wollte, egal was passierte. Das las er, bis er zusammenbrach und in den Krankenbau eingeliefert wurde. Weil er bewusstlos war, wurde er dort entkleidet und konnte es nicht länger verstecken. Es war eine Art Wunder – diese dürre, kleine Person, der für sich nie auch nur die kleinste zusätzliche Ration organisiert hatte, blieb am Leben und verdankte das seiner Überzeugung nach den Gebeten. Meiner Meinung nach blieb er am Leben, weil er immer ein menschliches Wesen bleiben wollte und nicht in den Schmutz versank, der ihn umgab. Unsere Freundschaut baute sich auf dem Abscheu auf, den wir gegenüber dem sich durchsetzenden Diebstählen fühlten und dem hässlichen Kampf, den unsere Mitgefangenen ausfochten, um einen leeren Suppeneimer, um die Reste aufzulecken.
Dieses Lecken der leeren Eimer, war für mich einer der schockierendsten Offenbarungen des Lagerlebens und es wiederholte sich jeden Tag. Die Suppe, die an den Blockältesten geliefert wurde, war mit einem Liter pro Mann bemessen, mit einem kleinen Extra für die Funktionshäftlinge. Aber die Blockältesten wollten auch rauchen, sich besser anziehen und alle Arten von Vorteilen genießen, wobei der einfachste Weg dazu die Suppe war. Er gab den Männer weniger als ihren Liter und was sie bekamen, was das schlechteste der Suppe. Dafür entwickelte er verschiedene Verfahren. Er füllte den Schöpflöffel nicht ganz, der genau einen Liter fasste und sogar das füllte er nicht ganz um in den Teller des Mannes. Dieses Verfahren führte gelegentlich zu bei einem Viertel der Portion. Es gab natürlich Unterschiede zwischen den Blockältesten aber der bestand nur in der Menge des Gestohlenen und nicht im Stehlen selbst. Sie betrachteten es gar nicht als Stehlen, sondern als ein natürliches Recht, als Folge ihres Erfolges und sie waren überzeugt, dass andere in ihrer Position dasselbe tun würden. Der Diebstahl in der Suppenmenge wurde begleitet von einem Diebstahl in der .Suppenqualität, durch fehlendes oder notwendiges Umrühren vor oder während der Verteilung. Der beste Teil der Suppe lag natürlicherweise am Boden des Eimers, der den oberen Ebenen nicht mehr als warmes Wasser übrig ließ. Die Blockinsassen wurden zuerst bedient, die besseren und gehaltvolleren Teile blieben für die Blockältesten und ihre Assistenten übrig. Die Verteilung fand immer in der Blockstraße statt, vor der Hütte der Blockältesten, aber die Verteilung an ihn und seine Assistenten fand innen statt. Eine Viertel- oder halbe Stunde nach der allgemeinen Verteilung erschienen alle möglichen Leute, die irgendwelche Tauschgeschäfte mit ihm hatten und ihm haus wurde ihnen die Belohnung dafür gegeben – ihre Portion dicke Suppe. Als das beendet war, wurde der Eimer auf die Straße gestellt und dann begann der Kampf um das, was auf der Innenseite noch hängen geblieben war. Leute lungerten auf der Straße herum, wie lang es auch dauerte bis der Älteste den Eimer herausstellte und dann fielen sie darüber her wie wilde Tiere. Die enge Öffnung des Eimers erlaubte nur einem oder höchstens zwei hineinzukommen. Die ersten hatten es kaum geschafft ihre Löffel hineinzubekommen, da wurde sie von den hinteren mit Schlägen auf die Seite gestoßen. Wirkliche Kämpfe entwickelten sich jeden Tag. Jeder, der einen Schweinestall oder einen zoologischen Garten zur Fütterungszeit gesehen hat, kann sich das traurige Spektakel vorstellen, mit dem Unterschied, dass die Tiere nicht um jeden Bissen kämpfen müssen, so benehmen sie sich auf eine zivilisiertere Art.
Mein Freund und ich beteiligten uns nie am Eimerauslecken, obwohl wir es oft beobachteten. Warum haben wir nicht eingegriffen? Es ist schwierig eine wahre Antwort zu geben, weil zweifellos mehrere Faktoren daran beteiligt waren. Wir entwickelten die Theorie, dass es wichtiger für uns war die Erscheinung eines menschlichen Wesens zu wahren als einen weiteren Tropfen Suppe zu bekommen.( obwohl ich nicht weiß, ob dieses Prinzip den Test bestanden hätte, wenn es um eine ganze Portion und nicht nur einen tropfen Suppe gegangen wäre). Gelegentlich hatte ich die Möglichkeit etwas zusätzliche Nahrung zu bekommen, aber die Grundsätze bremsten mich, mich genauso wie dien anderen zu verhalten. Außerdem, mein Freund war so schwach, dass er nur eine geringe Chance hatte, zu dem Eimer zu kommen. Es ist möglich, dass dieser letzte Faktor den ersten erschuf, der deshalb nicht als eigener Faktor angesehen werden kann. Aber das ist nicht wichtig. Die Hauptsache ist, dass für uns diese Theorie, nämlich zu versuchen zivilisiert zu bleiben, als die grundsätzliche Motivation in allem was wir unternahmen diente. Wir versuchten Themen zu diskutieren, die nichts mit dem Lager zu tun hatten, die keine Beziehung zu Nahrung und Schlägen hatten, aber wir waren nicht vollständig erfolgreich, denn soviel wir auch versuchten über andere Themen zu reden, wir kamen schließlich wieder auf solche Themen zurück. Wir wollten über die Vergangenheit reden und plötzlich merkten wir, dass wir über die Ernährung daheim sprachen. Es schien, dass unsere Ganze Vergangenheit geprägt war von der reichlichen Nahrung, die wir damals genossen hatten. Wir sprachen über die Zukunft, aber die schönsten und detailliertesten Pläne kreisten um die Mahlzeiten und Nahrungsmittel, die wir füreinander zu bereiten würden. Es ist interessant den Wandel der Einzelheiten bei der Beschreibung der Nahrung festzuhalten. AM Anfang als wir auch noch über gute Kleidung redeten, erinnerten wir uns meistens an die speziellen und teuren Arten von Nahrung, die wir einst gegessen hatten. Später jedoch konzentrierten wir uns immer mehr auf die billigen und einfachen, bis wir schließlich unsere Pläne nur mehr auf Brot und Kartoffeln konzentrierten. Unser schönster Traum war, einen Kartoffel am Tag haben zu können, manchmal gekocht, manchmal gebraten.
Der größte Erfolg, unsere Theorie anzuwenden, war in Verbindung mit der Brotverteilung. Immer vier, sechs oder 8 Mann erhielten einen leib, den sie gleich unter sich aufteilen mussten. Dies war eine der schwierigsten Vorgänge, denn der geringste Unterschied in den Portionen, jeder Krümel, der fehlte, erregte Ärger und führte zum Streit. Die Portionen wurden wiederholt gemessen und verglichen und jeder verfolgte mit Adleraugen das geschehen, um nicht benachteiligt zu werden. Zuerst hielt ich mich von der Hütte fern, bis das Brot verteilt war und mein Freund nahm meine Portion mit ohne sie mit seiner zu vergleichen und ohne mit Gelegenheit zu geben, zu vergleichen. So würde das nicht in Streitereien mit den anderen ausarten. Wenn ein Laib für 4 Mann war, schnitt er ihn in zwei mehr oder weniger gleiche Teile und lud dann die beiden anderen ein, den zu nehmen, den sie für den größeren hielten. Den verbleibenden Rest teilten wir dann unter uns zweien.
Es gab viele Diskussionen im Lager, die das Brot betrafen und was damit zu tun hatte und die verschiedenen Arten wurden gefunden, es zu essen. Es gab zwei extreme Verfahren, mit vielen Abarten dazwischen. Einerseits gab das Brot mehr Nährwert ab, wenn man es in kleine Portionen teilte und pro Stunde einen Bissen aß und andererseits musste jemand für den Tag essen und dann war es wichtig, die ganze Ration auf einmal zu essen. Die letzte Version wurde auch damit begründet, wenn schon die ganze Portion ungenügend war, die einem hungriger als vorher zurückließ und nur den Appetit anregte, war es besser Hunger zu leiden und nicht den Appetit ständig anzuregen. Ich wählte den zweiten Weg, auch aus anderen Gründen. Ich beobachtete, dass jene die ihre Ration in kleine Portionen teilten, sich selbst verrückt machten, ob sie das Brot hier oder dort verstecken sollten. Sie riskierten oft, dass ihr Brot gestohlen wurde. Jeden Abend, nachdem ich meine Suppe gegessen habe, aß ich mein ganzes Brot und ließ nichts für den nächsten Tag übrig. ich machte das sogar, wenn ich eine zweite Portion Suppe bekam. So konnte ich wenigstens ruhig schlafen, ohne mir Sorgen machen zu müssen, dass mein Brot gestohlen würde. Durch dieses „Überangebot“ trank ich meinen Kaffee oder Tee am Morgen nicht, und ich nur dann, um mein Frühstück zu holen, wenn das Wetter sehr kalt war oder Milch verteilt wurde. Der Grund war einfach. Ich lernte – richtig oder nicht – dass jene, die Wasser zwischen den Mahlzeiten tranken oder eine Menge Kaffee oder Tee, Schwellungen an den Beinen bekamen, die es ihnen unmöglich machten sauber in der reihe zu gehen und an den verlangten Plätzen zu arbeiten, was zu Schlägen führte mit Zusammenbrüchen und Tod. In Wirklichkeit trank ich überhaupt kein Wasser, denn die Suppe war ja praktisch nichts anderes als warmes Wasser. Und ich beachtete die Warnungen der Weisen, dass die Schwellungen durch eine Ansammlung von Wasser im Körper verursacht würde. So aß ich die meiste Zeit nur einmal am Tag.
Wie schaffte ich es dann, am Leben zu bleiben? Im allgemeinen gibt es zwei Antworten auf diese Frage. Im Lager blieb ein Mann am Leben entweder auf Kosten anderer oder durch außerordentliches Glück. Die zweite Antwort traf auf mich zu. Ich wurde nie zum Blockältesten, Kapo anderen Funktionsämtern genommen, noch bekam ich Arbeit, das regelmäßig mit doppelten Portionen vergütet wurde. Trotzdem war ich glücklich. Ich bekam leichtere Arbeit und schon von Anfang an lernte ich das Geheimnis des Durchschlagens im Lager. Während der ersten Monate hielt ich mich ganz gut, und wenn meine Freunde durch Selektionen weggebracht wurden, schaute ich vergleichsweise gut und gesund aus. Später jedoch wurde ich zunehmend schwächer und verwandelte mich in einem Muselmann in jeder Beziehung. Aber mein Glück blieb, weil der Krieg zu Ende ging und damit unsere Quälerei.
Das passierte: An meinem ersten Tag wurde mir eine leichte Arbeit als Bauarbeiter zugewiesen. ich habe sie bereits beschrieben, aber ich sollte hinzufügen, dass ich nur ein paar Tage bei diesem Job blieb. Eines Morgens wurde ich bei der Arbeitsverteilung aus dem Kreis der Bauarbeiter herausgenommen, die schon sechs waren und wurde als „Experte“ zu einer Gruppe von dreißig gestellt, die alles Jungen aus dem Kinderblock waren. Der Kapo. der die Bauarbeiter beaufsichtigte, marschierte mit uns zum Lagertor, wo er uns Deutschen der Organisation Todt übergab. Diese entschieden, dass unsere Gruppe Öfen im Waldlager bauen sollte und dann aufgelöst würde. Dabei erklärte er mit Fachausdrücken, was ich zu tun hätte. Als ein Experte und als Anführer der Gruppe, war es meine wichtigste Aufgabe praktisch die Öfen zu bauen während ich alle anderen Arbeiter beaufsichtigte, die die Materialen anbringen sollten und sie mir reichten. Als ich das hörte, befiel mich die Angst. Wer war ich, dass ich Öfen bauen sollte? Ich hatte nicht die leiseste Ahnung von der Arbeit. Ich erachtete es als besser, ihm sofort zu sagen, bevor er es selber herausfand. Ich nahm meine ganzen Mut zusammen, dass keine Ahnung von der Arbeit hatte und nicht verstehen konnte, warum ausgerechnet ich für diese Arbeit ausgesucht worden war. Er fragte mich, warum ich das nicht im Lager gesagt hätte, wo er mir die Gruppe übergeben hatte. Aus der Frage las ich heraus, dass er meinte, ich wolle ihn täuschen. Ich erklärte ihm, dass vor ein paar Tagen, als Bauarbeiter gesucht wurden und niemand reagierte, ich dem Kapo, der für die Arbeiter verantwortlich war und dem Lagerältesten erklärt hatte, dass ich mit einem Maurermeister ein Jahr lang gearbeitet hätte und obwohl das meine einzige Erfahrung war, sie mich akzeptiert hatten und mich etwas einfachere Pflichten übertrugen, die ich schaffen konnte und ich sicher war, dass es dieselbe Größenordnung von Arbeit war, die mir nun übertragen wurde. Er zögerte mir zu glauben und begann schließlich, ohne sich weiter um das Thema zu kümmern, mich auszufragen, woher ich käme und was meine Beschäftigung in Ungarn gewesen wäre. Als er hörte, dass ich im ungarischen Arbeitsdienst gewesen war, erinnerte er sich, dass in seiner Zeit bei der deutschen Armee in der Ukraine er ungarische Juden hatte, die für ihn arbeiteten. Er fragte mich, ob ich in der Ukraine gewesen war. Ich log und sagte ja. Er erzählte mir dann, dass er von dort nach Rumänien verlegt worden war. Ich sagte ihm, dass ich auch diesen Weg genommen hatte. Da wurde er sehr freundlich und fragte mich, wie ich heiße. Als er hörte, dass ich Gustav hieß (mein nichtjüdischer Name), lachte er. Er hieß auch so. So war das Eis gebrochen und als wir unseren Arbeitsplatz erreichten, sagte er, dass er selber die Öfen bauen würde und ich musste ihm nur zur Hand gehen. Nach zwei Wochen, als die Arbeit beendet war, arrangierte er für mich, dass ich zu einer anderen leichteren Arbeit in der Nähe des Winterlagers kam.
Diese leichten Aufgaben hatten einen doppelten Vorteil. Es war nicht nur, dass ich davor bewahrt wurde, am Anfang gleich meine Kraft zu vergeuden und nicht den langen und erschöpfenden Marsch zu den anderen Baustellen machen musste. Ich kam dabei auch in andere Umgebungen, die wert waren, sie zu kennen. Beinahe alle Männer mit leichten Aufgaben waren aus dem Veteranenlager, die gute persönliche Beziehungen zu den „Privilegierten“ hatten.
Ich lernte, mich vor den Jungen zu hüten und nicht auf ihre gröbsten Ungehörigkeiten zu reagieren. Am ersten Tag des Ofenbaus, fragte ich einen von ihnen, warum sein Gesicht und seine Kleider gepflegter ausschauten, als gehörte er eher in ein Ferienlager als in ein KZ-Lager. Wir sprachen ungarisch, die Sprache der meisten von ihnen. Er antwortete, dass während der Arbeit; als er Schutt nach der Zerstörung von Warschau beiseite räumte – wo die meisten Veteranen beschäftigt waren, die in dieses Lager gebracht worden waren – er einen wertvollen Stein gefunden hatte und ein bestimmter Blockältester hatte ihm angeboten, ihn zu kaufen und als Gegenleistung würde der Älteste auf ihn aufpassen und ihn unter seinen Schutz stellen. Der Junge stimmte zu und bekam seitdem so viel Suppe, wie er essen konnte, musste nur leichte Arbeit verrichten und niemand getraute sich, ihn zu schlagen. Als die anderen Jungen diese Geschichte hörten, brachen sie ihn Gelächter aus und fragten, warum er trotzdem den Stein immer noch in seinen Hosen versteckte. Als sie mein Erstaunen sahen, fügte einen von ihnen hinzu, dass er der „Piepel“ (Liebling) eines Blockältesten war.
Ich verstand das nicht, bis ein anderer Junge erklärte, dass er in der Nacht im Raum des Blockältesten schlief, der so gut auf ihn aufpasste, dass er ihn in sein Bett mitnahm. Das führte zu einem Aufruhr unter den Jugendlichen, die sich in zwei Gruppen aufspalteten, die aufeinander einschlugen. Eine Gruppe gewann schließlich die Oberhand. Die geschlagene Gruppe schrie „Ihr Prostituierten!“ und die anderen „Haltet den Mund oder wir bringen euch um!“ Ich erfuhr nie die Wahrheit, weil es zu gefährlich war, sich in die Angelegenheiten der privilegierten Leute einzumischen.
Mit der Beendigung der Arbeit im Winterlager, war ich an der Reihe für die Arbeit auf der Hauptbaustelle. Inzwischen waren meine Freunde viel schwächer geworden. Meine eigene Gesundheit war noch ziemlich gut. besonders im Vergleich zu dem enormen Unterschied zwischen ihrer Verfassung und meiner. Der gelegentliche Kartoffel, den ich von dem Baukapo bekam, half nicht viel in dieser Beziehung. Die Arbeit auf der Hauptbaustelle war unerträglich hart. Das riesige Gebäude – nach dem Krieg wurde erzählt, dass es die V3s, die geheimste Waffe der Deutschen schützen sollte, wobei es ihnen nicht gelang, sie in Betrieb zu nehmen – wurde hauptsächlich gebaut auf der Grundlage von jüdischem Schweiß und Blut. Amerikanische Soldaten, die das Lager befreiten, erzählten uns, dass die deutschen beabsichtigten, mit den V3s London von Süddeutschland aus zu bombardieren. Die zerstörerischen Raketen sollten von beweglichen Lafetten abgeschossen werden, die auf Schienen gestellt wurden, wie die Eisenbahnlinien und das Gebäude sollte als Schutz für die Lafetten und Gleise bei Luftangriffen dienen. Es gab einen unterirdischen Raum, der Hunderte Meter lang, ungefähr 50 Meter breit und 6-18 Meter hoch. (Diese Maße sind aus dem Gedächtnis und nicht genau). In der Nähe gab es andere unterirdische Gebäude.
Unsere Arbeit auf diesem riesigen Gebäude zog die härteste körperliche Arbeit hauptsächlich in zwei Arten nach sich. Die erste war, Zementsäcke von Lastwagen abzuladen, die sie von der Fabrik brachten und sie dann über hölzerne Stufen zur Oberkante zu bringen, wo sie in die Mischmaschine geleert wurden. Die zweite, körperlich leichter aber schmutziger und gefährlicher – war die LKWs zu leeren, die den Zement lose brachten und unverpackt brachten. Dieser Zement wurde in langen Lagerhallen aufbewahrt und wenn es nicht genügend Säcke gab, wurde er in hölzerne Kisten geschaufelt, etwa dieselbe Menge als in den Säcken war. Um sie von den Lastwagen zur Lagerhalle zu bringen, wurden wir in langen Reihen aufgestellt, in einer Entfernung voneinander, die es jedem möglich machte, den Zement zum nächsten zu schaufeln. Wir standen auf hölzernen Brettern, damit wir nicht im Zement einsinken konnten. Wenn Dutzende von Männern auf diese Art arbeiteten, kann man sich vorstellen, dass der Staub die ganze Halle füllte. Die meisten von uns zogen die harte Arbeit des Sacktragens vor. Das betrüblichste bei beiden Arbeiten war, dass man sich nicht einen einzogen Moment ausruhen konnte. Wir arbeiteten wie eine sich bewegende Kette, wobei jeder Fehler bei einem der Glieder notwendigerweise mit dem Funktionieren der Kette zusammenhing. Schwierigkeiten waren üblich, kein Tag verging ohne einen Unfall. Es gab welche, die sich der Gefahr aussetzten, indem sie sich versteckten bis die Arbeit beendet war, was die Arbeit für die anderen noch härter machte. Wenn zu viele abgingen, dann bewegte uns dazu Verzweiflung zu äußern. Dis beruhte auf einem von zwei Gründen: Entweder viele Männer einer Arbeitsgruppe waren schwach und brachen schnell zusammen und mussten weggebracht werden oder eine Mange der Favoriten der Kapos bekamen die Erlaubnis sich zu entfernen.
Mein Glück hielt sich auch an diesem schrecklichen Platz gut. Ich hatte erst ein paar tage dort gearbeitet, als eines Morgens der Chefingenieur erschien und nach allen Ingenieuren unter uns fragte. Niemand trat vor. Ich nahm meinen Mut wieder zusammen und erzählte ihm dieselbe Geschichte, die ich dem Kapo der Arbeiter schon erzählt hatte. Ich sagte, dass ich kein Ingenieur sei, aber dass ich ein Jahr Ingenieurstudium in Budapest absolviert hatte. da sich niemand anderer freiwillig meldetet und ich gut deutsch konnte, nahm er mich als Assistenten. Es war wirklich kein technisches Wissen nötig, für das, was ich zu tun hatte. Anscheinend war alles, was er wollte, der schnell seine Anweisungen verstehen konnte ohne vieler Erklärungen zu bedürfen. Ich musste ihm helfen bei der Vermessung des Kieshügelsund beim markieren der zukünftigen Arbeitsschritte. Ich arbeitete nur drei tage in der Woche, und vier bis 5 Stunden am tag und war die restlichen sieben bis acht Stunden frei. Es war leicht und erfreulich. Aber ich fühle immer noch die Zeichen dieser Zeit.
Ich müsste die ganzen Arbeitsstunden auf der obersten Linie in Schnee und kaltem Wind stehen, unzureichend gekleidet, besonders ohne Handschuhe oder Socken und ich führte meine Pflichten penibel aus, um die leichte Arbeit zu behalten. Meine Finger und Zehen erforen. Meine Wangen schollen an von der Kälte. Ich litt besonders an den Händen, die nach der Befreiung lange Behandlungen erforderten, um sie mehr oder weniger wieder normal werden zu lassen.
Die anderen vier Tage in der Woche arbeitete ich wie die anderen, aber sogar war meine Position besser. Jeder, die gewöhnlichen Gefangenen, die Kapos, die Männer der Organisation Todt., die SS-Männer wussten, dass ich der Assistent des Chefingenieurs war und behandelten mich mit Respekt. Wenn ich mit ihm unterwegs war schlug mich niemand oder schadete mir, besonders wenn ich mit bei Arbeit war. In meinen freien Stunden konnte ich mich auf dem ganzen Gelände bewegen ohne Strafen befürchten zu müssen. Das war sehr wichtig, denn während der Arbeitszeit konnten nicht einmal die Leute der Organisation Todt ihren Platz verlassen, gar nicht zu reden von den Ukrainern oder den Italienern, denen allen zusammen verboten war, im Baubereich herumzugehen. Diese Spaziergänge öffneten mir eine ganz neue Möglichkeit zu zusätzlicher Nahrung zu kommen. Einmal, als ich Italienern bei der Arbeit zusah, rief mich einer und erklärte mir in gebrochenem deutsch, dass er eine Jacke brauchte, für die er eine Packung Zigaretten zahlen würde. Nach einigem Zögern stimmte ich zu und gab ihm die, die ich gerade trug. Meine Berechnung war richtig. Für 10 Zigaretten kaufte ich eine Jacke von dem Assistenten eines Blockältesten und für den Rest der Zigaretten beschloss ich, Suppe zu kaufen – jeden Tag einen Liter für eine Zigarette, dem regulären Preis. Am nächsten Tag versuchte ich weiter Transaktionen mit meinem „Geld“ in meiner Tasche, besonders da ich Angst hatte, die Zigaretten würden verderben, wenn ich sie zu lange in der Tasche ließ. Ich befürchtete nicht, dass ei gestohlen würden, denn niemand vermutete, dass ich einen solchen Besitz bei mir hatte. Nicht einmal in meiner Hütte erzählte ich niemanden darüber, ob nicht einen Diebstahl oder Neid anzustacheln. Ich sollte erwähnen, dass es Männer gab, die es vorzogen eine Zigarette zu rauchen, statt eine Portion Suppe oder sogar ein Brot zu essen. Das Bedürfnis zu rauchen wurde für einige von ihnen zu einer Sucht, für die sie mit dem Leben bezahlten. Glücklicherweise rauchte ich nicht und so war ich nie mit der Alternative Zigaretten zu rauchen oder sie zu „essen“ konfrontiert. Die Italiener besaßen mehr Dinge als sie gebrauchen konnten und ich versuchte sie an die Ukrainer zu verkaufen. Und tatsächlich, sie waren am meisten an Zigaretten interessiert, für die sie vorbereitet waren. mit Brot zu bezahlen. Sie wollten 10 für einen Laib. Da ich nur 9 hatte, kaufte ich einen halben Laib, den ich auf der Stelle aß und ging dann um meine Italiener zu suchen, um ihm meine neu erworbene Jacke anzubieten. Einen Monat lang war ich mit allen Möglichkeiten von Tauschgeschäften beschäftigt, mit Italienern, Ukrainern, Blockältesten und ihren Assistenten. Hatte ich jeden Tag freie Bewegung auf dem Lagergelände gehabt, dann hätte wirklich ein beträchtliches Zubrot zu meinem Essen gehabt.
Das war mein glücklichster Abschnitt gewesen. Er endete plötzlich. Zuerst hörte meine Arbeit für den Chefingenieur auf. Ich hatte inzwischen eine Anzahl Zigaretten aufgehoben und kaufte ein paar Socken und einen neue Jacke. Ferner war ich im Lager dafür bekannt geworden, dass ich mit Artikeln wie Kleidung, Zigaretten und Nahrung handeln konnte, und auch als einer, der bezahlte, was er versprochen hatte, nicht so wie manche Funktionsträger, die die Goldzähen der Häftlinge für einige Portionen Suppe kauften, die über eine bestimmte zahl von Tagen geliefert wurde und dann ausblieb und die dann die Klagenden wegschickten.
Der Aussage, dass auf eine Schwierigkeit die nächste folgt, wurde mir als wahr bewiesen. Eines Tages wurde mein Block informiert, das wir mit der Desinfektion an der Reihe wären, und wir Hütte um Hütte erscheinen sollten. Ich wollte nicht mit meinen neuen Socken und der Jacke hingehen, aus Angst sie würden gestohlen werden oder ausgetauscht gegen schlechtere. Ich beschloss deshalb, sie meinem besten Freund vom ungarischen Arbeitsdienst einige Stunden anzuvertrauen, der in einem anderen Block lebte. Ich wusste, der er als Dieb beschuldigt worden war, und öffentlich dafür geschlagen worden war. Aber ich dachte, dass er sicher mir nichts stehlen würde. Es war noch nicht lange her, dass wir auf den langen Märschen nach Deutschland alles geteilt hatten, was wir besaßen und waren enger verbunden als Brüder. Aber nun kam er mir mit Entschuldigungen entgegen, als ich von der Desinfektion zurückeilte und fluchte über jemanden, der meine Sachen gestohlen hatte und den er selbst gesucht hatte, ihn aber nicht entdecken konnte. Ich wandte mich an die anderen in der Hütte um, aber sie sagten nur, dass jemand der so dumm ist einem Dieb zu trauen, nichts Besseres verdient. Sie sagten mir, dass mein Freund sich weder in der Zeit als ich weg war, über einen Dieb beklagt hätte, noch er nach irgendetwas gesucht hätte; ohne Zweifel hatte er die Sachen versteckt. Ich suchte unter den Matratzen und in jedem möglichen Ort aber vergeblich. meine Sachen waren weg. Und nun war ich nach allen meinen erfolgreichen Tauschgeschäften ohne jedes Zubrot oder die Möglichkeit etwas einzutauschen, sondern auch ohne meine Socken und meine Jacke in der Mitte des Winters.
Die Probleme hörten nicht auf. Mein Gesicht war von der Kälte geschwollen, so dachten die Kapos, dass ich gesund und stark war und schickten mich zur schweren Arbeit. Meine fehlendes Glück erreichte seinen Höhepunkt, als ich für 36 aufeinanderfolgende Stunden drei Schichten, eine nach der anderen, ohne Unterbrechung machen musste. Folgendes war geschehen: ich war auf der Nachtschicht gewesen. Wir waren zurück im Lager und in unseren Hütten, als wir Schreie hörten. Wie üblich täuschten wir vor zu schlafen. Die Schreie kamen näher und der Blockälteste und der Blockschreiber kamen in unsere Hütte und sagten, dass die Meldung von der Hauptbaustelle gekommen war, dass dort Männer gebraucht wurden. Wer meldete sich freiwillig. Natürlich versprachen sie, dass ein Ausgleich für die zusätzlichen Stunden getroffen würde. Niemand in der Hütte, niemand im Block meldete sich freiwillig. So nahmen sie gewaltsam 5 Männer aus jeder Hütte, mich eingeschlossen. Das war nicht so schlecht, da die Stunden uns angerechnet würden und wie sie uns sagten, wir würden nicht zu zusätzlicher Arbeit als Strafe geschickt. Die echten Probleme begannen am Ende der zweiten Schicht. Die Nachtschicht kam, um uns zu ersetzen und wir fingen an loszugehen. Genau in diesem Moment kam der Nachtkapo und lief uns nach, dass einer seiner Männer sich zwischen denen versteckte, die abrückten. Er leuchtete mit der Taschenlampe unsere Gesichter an und machte mich ausfindig. Ich gehörte in der Tat zu seiner Schicht, aber er weigerte sich zu glauben, dass ich bereits zwei Schichten hinter mir hatte. Ich wurde gezwungen umzukehren. man kann sich leicht vorstellen, wie ich mich bewegte und arbeitet, ohne Essen und Schlaf. Es ist schwieriger zu verstehen, was mir auf dem Weg ins Lager geschah. Ich döste weg während des Marschierens und wachte auf durch einen Schlaghagel von zwei SS-Leuten, die behaupteten, dass ich flüchten wollte und es nur ihrer Wachsamkeit zu verdanken war, dass ich gefangen wurde. In Wirklichkeit hatte ich mich, als alle einen Rechtsbogen machten mich geradeaus in den Wald bewegt. Natürlich glaubte niemand, dass jemand während des Marschierens schlafen kann. Sie sagten, dass ich Glück gehabt habe, dass ich nicht gleich auf der Stelle erschossen worden war.
Nach diesem Abschnitt mit großen Schwierigkeiten, als ich komplett erschöpft war und wegen eines beständigen Hustens in den Krankenbau eingeliefert worden war, kam mein Glück zurück. Ich habe erwähnt, wie ich aus dem Krankenbau herauskam, indem ich all meinen Kraft und meinen Willen zusammennahm. Das war eine Sache des reinen Willens, aber ohne Glück wäre ich nicht in der Lage gewesen zu erreichen, was ich beschlossen hatte, als ich den Krankenbau verließ – Muselmann, der ich geworden war und nur mit Schwierigkeiten in der Lage mich zu bewegen. Vom Krankenbau wurde ich aus einem bestimmten Grund zu einem anderen Block geschickt, zum Veteranenblock wo Griechen einquartiert waren. Zuerst war ich sehr enttäuscht, von meinen letzten Freunden aus meinem früheren Block getrennt worden zu sein. Aber ich entdeckte bald den Vorteil, zu den griechischen Veteranen zu gehören. Beinahe alle von ihnen hatten gute, leichte Jobs und die Zusammenarbeit zwischen ihnen war absolut erstaunlich an diesem Platz, wo gegenseitige Hilfe auf dem Gefühl der gemeinsamen Herkunft beruhte und so etwas gab es üblicherweise nicht. Sie waren alle von Saloniki und waren übrig geblieben von den Zehntausenden ihrer Brüder. Einige von ihnen war aufgestiegen zu Lagerschreibern oder Kapos und schauten darauf, dass ihre Kameraden sich gut um sich selbst kümmerten. Es mag sein, dass diese glückliche Zusammenarbeit aus der sozialen Trennung zu den anderen Juden entstand, die Jiddish sprachen und deutsch verstanden.